Soll das mit?
Kann das weg?
Als ich 1997 nach San Francisco zog, passte mein materielles Leben in drei Koffer…
2001 ging es weiter nach Portland. Ich mietete einen Pick-up Truck, auf den mein neues Schlafsofa und die restlichen Sachen luftig Platz hatten..
2002 reichte mir ein kleiner Truck für den Umzug nach Vancouver. In Portland hatte ich aus einer schönen Tischplatte und zwei Blöcken einen Schreibtisch gebaut. Den nahm ich mit.
2004 verkaufte und verschenkte ich die meisten Sachen. Ich hatte wieder drei große Koffer und im Handgepäck ein ganz besonderes schweres Stück: meinen CD Koffer mit allen gesammelten Schätzchen. Ein paar Tage vor meinem Abflug zurück nach München stellte ich mein Mountainbike, die Essenz meiner Fachbücher und andere, damals für mich wichtige Sachen auf eine Europalette. Die wurde dann ein paar Tage später per Flugzeug nach München transportiert.
Und das geht auch…
In München lebte ich in einer WG. Die Vormieterin hatte eine Matratze übrig gelassen. Das war mein Bett. Als ich 2005 dann mit meiner späteren Frau zusammenzog, reichte uns ein einziger Transporter. Wir sind erst bei mir vorbeigefahren, um die wenigen Sachen einzusammeln und dann bei ihr. Wir waren leicht, schnell und zufrieden. Weil wir uns hatten (und jetzt immer noch haben).
In unserer eigenen Wohnung in Untergiesing mussten wir uns natürlich erst einmal einrichten. Wir brauchten alles. Sofa, Waschmaschine, Küchentisch, Stühle, und so weiter. Das braune Sofa steht noch immer im Wohnzimmer. Hallo, Erwachsenenleben!
2007 zogen wir von München nach Canberra. Wir buchten einen Zwölf-Fußcontainer. Da passte alles rein, was wir inzwischen so für ein Leben zu dritt benötigten. Der Container war drei Monate auf den Weltmeeren unterwegs und in dieser Zeit lebten wir in Canberra ziemlich karg. Wir hatten einen Micky-Maus-Camping-Tisch und unsere Sachen, die wir im Flugzeug mitgebracht hatten. Unser Leben war wieder leichter. Ich vermisste meine Kaffeemaschine – Silvia – und meine Getreidemühle für das Brotbacken. Unsere Fahrräder fehlten uns. Aber nicht die teuren Hemden oder das große braune Sofa.
2008 zogen wir wieder zurück nach Deutschland, nach Wangen im Allgäu. Der Container war ungefähr wieder gleich gefüllt. Wir haben nur ein paar giftige „Red back”-Spinnen nach Deutschland exportiert. Die hatten es sich in unsren Schuhen bequem gemacht.
Elf Jahre später, drei Kinder mehr, mit einem eigenen Haus und dem dafür notwendigen Zubehör packen wir wieder zusammen. Was kommt mit, was bleibt hier? Was hätten wir gar nicht erst kaufen müssen, weil wir es gar nicht benötigen?
Es ist schon Wahnsinn, was sich so in den Jahren ansammelt. Einiges haben wir selber gekauft, anderes geschenkt bekommen. Jetzt bringen wir sehr viele Sachen in die Altkleidersammlung oder werfen es weg. Eine Schande. Klar, das hat alles eine Menge Geld gekostet. Aber nicht nur das: Unsere Lebenszeit steckt darin. Für alles haben wir unsere Lebensarbeitszeit investiert. Für die vielen Hemden, Pullover, Hosen und Bücher, die wir nur einmal angezogen und nicht gelesen haben.
Als Selbstständiger ist mir die Beziehung von Zeit und Geld sehr bewusst. Je mehr Geld ich ausgebe, desto mehr Zeit muss ich im Büro verbringen. Nicht immer macht Arbeit Spaß. Das heißt: Hätten wir diesen ganzen Kram gar nicht erst gekauft, dann wäre viel mehr Zeit zum gemeinsamen Spielen, zum gemeinsamen Erfahren gewesen. „Your Money - or your life”!
Was brauchen wir wirklich?
Vieles, was ich gerade zur Mülldeponie bringe, habe ich gekauft, weil ich mich in eine bestimmte Richtung entwickeln wollte. Oder weil ich Überfordert oder gelangweilt war. Ich habe mir viele Fachbücher zu Themen gekauft, die ich am Ende dann doch nicht bearbeitet habe. Ich habe mir Kleidung gekauft, die ich letztendlich nicht angezogen habe, weil ich gar nicht erst die Gelegenheit dazu hatte. Nicht nur das: Ich glaube, ich will gar nicht mehr die nächste Gelegenheit dazu nutzen. Also, Loslassen.
Das soll jetzt nicht „eso” klingen, aber in vielen Dingen fehlt die Energie. Manchmal steckte nie Energie darin. Noch einmal zu den Klamotten: Ich habe in den letzten Wochen meinen Kleiderschrank rigoros verschlankt. Zu Beginn war das einfach: Ich entfernte alles, was mir nicht mehr passte. Zu groß oder zu klein. Dann blieb noch eine Menge übrig. Vieles hatte ich schon eine Weile nicht mehr an. Das habe ich weggegeben. Nun ging es ans Eingemachte: Wie viele Hemden brauche ich? Wie viele Anzüge? Brauche ich wirklich alle 30 Paar Socken? Was mache ich mit geschenkten T-Shirts? Und den teuren Jacken? Ziehe ich die grüne Cordhose noch einmal an? Wann zum ersten Mal? Die kann ich doch nicht einfach so weg geben, oder? Was ist mit dem lachsfarbenen Hemd, das meine Frau an mir so mag (ich mich darin aber wie ein Fischbrötchen fühle)? Weg, weg, alles weg. Auch das Fischbrötchen.
Einfach dranbleiben für ein radikales Ausmisten
Das schöne beim Ausmisten ist, dass man am Anfang recht vorsichtig ist und später immer radikaler wird. Ist doch egal, was das früher mal gekostet hat; was ich damit verbinde. Die wichtige Frage ist: Fühle ich mich gut darin? Nein? Dann weg damit. Ich werde es ja sowieso nicht mehr anziehen.
Noch drei Wochen und ich bin gespannt, was letztendlich übrig bleibt. Ich gehe davon aus, dass wahrscheinlich meine gesamte Kleidung in eine große Tasche passt. Auf den Dachboden werde ich nur noch eine oder zwei Kisten mit Sachen für den eiskalten Winter hier im Allgäu lassen. Zusätzlich kommen noch Outdoor-Sachen in die kleine, zwei Kubikmeter große Holzkiste, die wir kurz vor unserer Abreise auf den Weg nach Sydney schicken.
Muss erst das Haus abbrennen?
Für mich ist das eine wichtige, bittersüße Lektion: Wir wissen ja alle, dass es im Leben nicht um die Anhäufung von materiellen Gütern, sondern um das Sammeln von Erfahrungen – sowohl den Guten als auch Schlechten – geht. Das macht das Menschsein aus. Leider ist die Motivation zum „Abnehmen” nicht groß genug, um mal ordentlich Tabularasa zu machen. Da muss schon mehr passieren: zum Beispiel ein großer Umzug oder ein Hausbrand. Jetzt ergibt sich die Chance.
Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, die Essenz zu behalten und ab sofort nur noch auszutauschen. Ich weiß noch nicht, wie viele Hemden ich am 11. August mitnehme. Aber ich habe mir vorgenommen, niemals mehr als diese Anzahl zu haben. Sortiere ich also ein Hemd aus, dann kann ich wieder eins kaufen.
Außerdem habe ich gelernt, dass es sich auch finanziell einfach nicht lohnt etwas zu kaufen, was ziemlich kurzlebig ist. Ich höre mich an wie meine Oma. Meine Oma sagte einmal: Ich kann es mir nicht leisten, günstige Sachen zu kaufen. Wenn ich etwas kaufe, dann muss das die beste Qualität haben. Habe ich kein Geld dafür, dann lass ich es lieber ganz. Recht hat sie.
Braucht kein Mensch…
Alles, was ich mir momentan neu kaufen möchte, muss die Frage beantworten, ob ich das wirklich für Australien benötige. Bis auf wenige Ausnahmen lautet die Antwort „Nein”. Vor ein paar Tagen war ich in München. Die vielen Sale-Schilder ließen mich kalt. Ich bin sehr gespannt, ob wir den kollektiven Kaufrausch weiter kaltstellen können.
Und so starten wir eine weitere Schleife: Diesmal wandern wir ja nicht aus, sondern kommen zurück. Wir nehmen wenig, dafür die für uns wichtigen Dinge mit. Wir wollen leicht sein, um das australische Leben in vollen Zügen einzusaugen. Wenig Krempel ansammeln, dafür die finanzielle Freiheit haben, alles zwischen Busch und Meer zu erkunden. Mal sehen, was wir alles von unserer Reise mitbringen…